Zur revidierten Einheitsübersetzung, Teil 2

JHWH = HERR? (in Kapitälchen)

Warum ich diese „neue“ Übersetzung als großes Problem sehe und welche Lösungen (auch für die Lektionare) möglich wären

Ich reihe mich ein in die lange Liste derer, die in diesem (sehr bewusst gewählten) Übersetzungsdogma der revidierten Einheitsübersetzung ein großes Problem (in der Theorie und/oder für die Praxis) wahrnehmen (z.B. Katrin Brockmöller1, Ottmar Fuchs2; viele, die mich darauf angesprochen haben).
Zunächst eine Bestandsaufnahme (von Franz Kogler3):

Die Einheitsübersetzung hatte bisher das sogenannte Tetragramm JHWH manchmal mit dem Eigennamen „Jahwe“ (ca. 150 Fälle) und über tausendmal mit „Herr“ wiedergegeben. Das Tetragramm (JHWH) kommt jetzt nirgends mehr vor. In der jüdischen Tradition gilt der Eigenname Gottes als heilig und wird nicht ausgesprochen, sondern man verwendet meistens die ehrfurchtsvolle Anrede „mein HERR“. Die neue Einheitsübersetzung verzichtet daher darauf, den geheimnisvollen Eigennamen Gottes (JHWH), als „Jahwe“ zu schreiben und ersetzt ihn durch HERR. Die Schreibweise mit Kapitälchen unterscheidet den „HERRN“ deutlich sichtbar von allen menschlichen „Herren“.

Eine Studentin, die ich begleite4, fragte sich (in einer Mail an mich), „warum das als so große Neuerung verkauft worden ist, wenn es um nur 10% der Vorkommen geht und die Art der Übersetzung bei 90% gar keine Neuerung ist“. Ich habe ihr geantwortet, dass mir die Veränderung von „Herr“/„Jahwe“ auf durchgängig „HERR“ doch als große Neuerung vorkommt. Durch die Vereinheitlichung (Verabsolutierung) und v.a. durch die Setzung in Kapitälchen fällt es einfach auf (und wurde auch als eine der großen Neuerungen beworben).

Foto: StockSnap / pixabay.com (CC0 Creative Commons)

Ich sehe drei große Schwierigkeiten:

  • das (einseitig-männliche) Gottesbild, das transportiert (einzementiert) wird
  • auf wen (nicht) Rücksicht genommen wird
  • praktische Schwierigkeiten in der Verkündigung

Näheres dazu siehe Langversion dieses Artikels (Download) – ich möchte mich hier auf die Lösungsvorschläge konzentrieren.

Ein optimistischer Zukunftsblick …
Eine revidierte revidierte Einheitsübersetzung in 30, 40, 50 Jahren (?) wird eine gute Übersetzung des Gottesnamens beinhalten! Die ÜbersetzerInnengruppe wird sich keine Gedanken mehr dazu machen brauchen, weil es bis dahin schon viele Lösungsvorschläge gegeben haben wird, diese praktisch umgesetzt worden sein werden mit der heuristischen Methode „Versuch und Irrtum“, und sich letztendlich im deutschen Sprachraum in der Praxis eine Wiedergabe des Gottesnamens durchgesetzt haben wird – welche dann natürlich in die „revrevEÜ“ aufgenommen worden sein wird …

Drei Kriterien für die Gottesnamen-Übertragung ins Deutsche:

  • Geschlechterneutralität
  • die Unverfügbarkeit Gottes wahren
  • praxistauglich

Wir müssen (dürfen) aber nicht solange warten, bis eine „revrevEÜ“ herauskommt – die Lektionare werden erst gedruckt und es ist aufgrund breiter Kritik einiges im Hintergrund in Bewegung.

Fünf Lösungsvorschläge – die ich nicht lange ausführen möchte, sondern zur Diskussion stelle. Es soll in einem offenen Geist und einem guten Sinne „gestritten“ werden!

  • GOTT (Großbuchstaben oder Kapitälchen) – praxistauglich, geschlechterneutral (aber nicht 100%ig); das große Problem mit diesem Wort ist, dass es schon so oft in der Bibel vorkommt (als Übersetzung von „El“/„Elohim“) und letztlich nicht der Name Gottes ist, sondern einfach sehr nüchtern „ein/der Gott“ bedeutet. Das ist so, wie wenn ich meine Tochter mit „Tochter“ ansprechen würde statt mit ihrem Vornamen.
  • Wie in der „Bibel in gerechter Sprache“ („BigS“) viele verschiedene Gottesanreden („Gottesnamen“) verwenden. Diese Übersetzung zeigt einen riesigen Schatz auf, den wir heben sollten; allerdings ist sie auf den ersten Blick wenig praxistauglich, weil beim Vorlesen immer mitgedacht werden muss: Meint die Übersetzung jetzt Gott oder ist das ein Bild für etwas anderes?
  • JHWH (das Tetragramm belassen, in deutschen Großbuchstaben; in Bibelausgaben am besten in Gold oder anderer Hervorhebung) – Für die stille Lektüre bleibt der Gottesname so am stärksten ersichtlich und am ursprünglichsten. Die LektorInnen setzen nach einem Moment der Stille einen „Gottesnamen“ ein, den sie vorbereitet haben oder spontan sagen. Allen, die meinen, da überfordere man die „einfachen ChristInnen“, sei entgegnet, dass die Umsetzung wahrscheinlich eine Zeit dauern würde, aber eine wichtige und wertvolle pädagogische Aufgabe für die Pfarren und Schulen (und darüber hinaus) wäre. – Wie befreit könnten wir ChristInnen unser ChristIn-Sein leben, wenn wir uns auch um die „Fremdsprache Gott“ wieder kümmerten und in naher Zukunft diese verschüttete Sprache wieder nahezu fließend sprechen könnten!
    Es ist eigentlich die gleiche Intention wie bei der „BigS“, nur dass hier nicht – und das ist die große Stärke dieses und der beiden nächsten Vorschläge – der eine Gottesname in vielen Ausdrücken abgebildet (zer-bildet) wird.
  • JHWH im hebräischen Original wiedergeben: יהוה – sehr ähnlich zum vorigen Vorschlag

Foto: Oddworldly / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

  • Anton Rotzetter (+ 2016) hat in seinen Büchern zu einer modernen Gebetssprache5 ein schlichtes Zeichen für die Gottesanrede vorgeschlagen, das auch für den Gottesnamen ein m.E. würdiges Zeichen wäre.6 Auch er sprach sich für eine zu vermittelnde Weitung der Gottesanrede aus.

Je mehr ich mich (als Mensch und als Theologe) mit dem, den/was wir als „Gott“ bezeichnen, beschäftige, desto weniger wird ERSIEES greifbar. Aber desto ergriffener wird dieses Geheimnis – nahe und fern zugleich – für mich. Ich sehe es deshalb als dringende Aufgabe, diesem „Gott“ auch in unserem Leben und Glauben mit einer sprachlich halbwegs adäquaten „Übersetzung“ (ins Deutsche und ins 21. Jahrhundert) Raum zu geben.

* * *

Fußnoten
1 http://www.deutschlandfunk.de/neue-einheitsuebersetzung-wie-die-junge-frau-zum-kind-kommt.886.de.html?dram%3Aarticle_id=367077
2 http://www.feinschwarz.net/denn-gott-bin-ich-und-nicht-mann-hosea-119/
3 https://www.dioezese-linz.at/dl/uoOkJKJNmLlnJqx4KJK/Revidierte_Einheits_bersetzung_-_Kurzinfo_mit_Arbeitsbl_ttern.pdf
4 In meiner Tätigkeit als Ausbildungsbegleiter der Theologiestudierenden der Diözese Linz.
5 Anton Rotzetter, An der Grenze zum Unsagbaren. Für eine zeitgemäße Gebetssprache in der Liturgie, Ostfildern (Schwabenverlag) 2002; dort auch mit Hinweis auf ein früheres Werk von ihm.
6 Ich kann es hier nicht wiedergeben; es ist jedenfalls diesem Bild entlehnt und dann sehr stilisiert worden: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/3/34/Hand_gottes.jpg/220px-Hand_gottes.jpg

 

Eine Antwort zu “Zur revidierten Einheitsübersetzung, Teil 2

  1. Hallo Rainer …
    Das „ewige Thema“ mit dem Namen Gottes. Warum nur noch seine Stellung mit HERR betonen, wenn er sich selbst mit Namen bekannt macht und damit angeredet wird? Warum nicht seine Persönlichkeit betonen, die weit mehr als seine Stellung ist? Warum ihn nicht unterscheidbar machen, durch seinen Namen? Geht es da wirklich um die allein wahre und korrekte Aussprache? Jesus wurde in hebräisch anders gerufen, wie im griechischen und lateinischen und im heutigen Englisch … Deutsch? Also worum geht es hier??? Kann es sein, dass es uns dabei, mehr um uns geht, als um IHN? Leider, befürchte ich gerade das.

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